09.08.-16.08.2020
Nachdem ich einen halben Tag in einer der südlichsten Städte Schwedens, in Malmö, verbracht hatte, fuhr ich mit dem Zug bis nach Nybro in der Region Småland.
Ich war wieder wahnsinnig aufgeregt was mich erwarten würde, obwohl ich mit der zukünftigen ‚Gastfamilie‘ bereits seit Monaten in Kontakt stand. Schon in den ersten Stunden mit den beiden gebürtigen Schweden Tessan und Peter, beide Ende dreißig, wurde mir bewusst, dass ich jetzt wieder in einer ganz neuen Welt gelandet war... ;)
Nach ausgiebigen Umarmungen zur Begrüßung wurde ich Nachmittags erst einmal in eine Pizzeria eingeladen. Danach drehten wir direkt noch eine Runde im Supermarkt – Tessan und Peter gehen nicht so oft einkaufen, da ihr Wohnhaus etwa 15 Minuten von jeglicher Zivilisation entfernt liegt.
Am späten Montag war ich dann endlich an meinem richtigen Ziel: dem Bigård Birgitta in Ällebäck, welches zum Dorf Örsjö gehört. Auf dem Gelände gibt es Hühner, Enten, Wachteln, Hasen und die Katze Gerd, die die inoffizielle Haushälterin des Hofes ist.
Mit einigen der Interessen und Motivationen besonders von Tessan konnte ich mich zu Beginn sehr gut identifizieren: sie verfolgt das Ziel sich möglichst selbst zu versorgen, Permakultur zu betreiben und regional einzukaufen. Allerdings gab es von Anfang an ein Thema, mit dem ich überhaupt nicht zurecht kam:
alle Tiere auf dem Hof (außer Gerd) dienen nur der Nahrungsmittelproduktion...
Trotz aller Meinungsunterschiede kamen wir meistens sehr gut miteinander zurecht, führten intensive Gespräche über alltäglicheThemen, aber eben auch zum Thema Massentierhaltung und deren Alternativen.
Meine Behausung war zu meiner großen Freude nicht direkt im Wohnhaus, sondern in einer kleinen schwedenroten Holzhütte im Garten des Hofes, welche von uns immer das ‚Cottage‘ genannt wurde. Die Hütte war sehr minimalistisch mit Doppelbett, Tisch und zwei Stühlen sowie zwei Kommoden eingerichtet, aber sehr gemütlich :)
Am ersten vollen Tag dort, einem Dienstag, war ich ziemlich enttäuscht von mir selbst, nicht so effizient zu arbeiten wie ich es sonst von mir kenne: ich bekam schon nach wenigen Stunden Arbeit in der Sonne bei etwa 30 Grad eine heftigen Sonnenstich – dementsprechend verschlief ich einen Großteil des Nachmittags und hatte auch noch Tage danach Kopfschmerzen...
In den folgenden Tagen konnte ich den Beiden dann glücklicherweise eine große Hilfe sein - sowohl Tessan als auch Peter hatten Anfang Juli Corona und gehören leider zu den wenigen Menschen, die danach weiterhin unter Symptomen der Infektion leiden.
Ich arbeitete viel im Garten um ganze Pflanzen aus dem Vorgarten herauszubuddeln; zog Äste und teilweise halbe Bäume aus dem angrenzenden Wald, um sie später mit einem Häcksler zu Holzspänen zu verarbeiten. Außerdem half ich Tessan als sie ihre Bienenstöcke kontrollierte, und ich bekam dafür im Gegenzug einen kleinen Imker-Crashkurs.
Außerhalb meiner Arbeitszeiten sammelte ich gefühlte Tonnen an Heidelbeeren direkt hinter dem Haus, machte Spaziergänge im Wald der momentan so schön bunt durch die ganzen Erikasträucher ist – und ging alleine oder mit Tessan zusammen an einen riesigen, glasklaren See zum Schwimmen und auch abkühlen von der anhaltenden, schwedenuntypischen Hitze.
Bis zum Freitag, dem fünften Tag in Örsjö, war die Welt salopp gesagt ‚in Ordnung‘ : ich respektierte die Beiden mit ihrer Lebensweise, wobei sie groteskerweise während ich da war kein einziges Mal Fleisch gegessen haben - und sie unterstützen mich mit meinem Lebensstil und verwöhnten mich mit veganen Kuchen,
Eis und sogar komplett veganen Tacos :D
Doch Freitag Abend beschloss ich sehr kurzfristig, diesen Ort schnellstmöglich zu verlassen:
Beim Abendessen kündigte Tessan nebenbei an, dass sie morgen wieder einige ihrer Tiere schlachten würden... jeder der diese Zeilen hier liest und mich gut genug kennt weiss, dass ich mit sechs Jahren Vegetarierin wurde und seitdem sehr sensibel mit dem Thema Tierrechte umgehe...
– seit dieser Ankündigung war mir klar dass ich emotional nicht damit umgehen könnte, wenn Tiere geschlachtet würden, um die ich mich am selben Tag noch gekümmert hatte!
Also haderte ich die halbe Nacht mit meinem Selbstbewusstsein und machte mir klar, was mir wirklich wichtig war: am nächsten Morgen packte ich meinen ganzen Mut zusammen und teilte Tessan & Peter meine Entscheidung mit. Sie reagierten glücklicherweise beide sehr gut besonders Peter zeigte sich sehr verständnisvoll...
Den letzten Tag den ich dort noch verbrachte arbeitete ich hauptsächlich im Café mit, welches die Beiden am Wochenende betreiben.
Das war auch nochmal eine ganz neue Erfahrung, es hat aber viel Spaß gemacht:)
Und so endete am Sonntag Nachmittag nach nicht einmal einer Woche, statt geplanten Zwei, meine Zeit in Örsjö. Ich verließ Tessan und Peter leicht wehmütig, da ich sie menschlich sehr wertschätze...
– Gleichzeitig weiss ich aber, dass es besser für alle ist, dass ich gegangen bin – ich fühle mich so wohler, unter anderen auch weil es leider in deren Wohnhaus unfassbar dreckig war und ich regelmäßig schimmelnde Lebensmittel aus dem Kühlschrank entfernen musste...
Nun bin ich in der Küstenstadt Kalmar, nur eine halbe Stunde von Örsjö entfernt, und doch schon wieder in einer ganz neuen Welt. Hier fühle ich mich wieder besser und bin froh, den Mut gehabt zu haben und meinen Werten treu geblieben zu sein :D
Morgen geht es auch schon weiter zum nächsten Abenteuer, weiter in den Norden, an den Vätternsee. Und was ich dort erlebe kannst du in ein Paar Tagen im nächsten Beitrag erfahren!
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