20.09.-04.10.2020
Nach einer sehr turbulenten Zugfahrt, bei der ein seltsamer Fahrstil des Lockführers mit einer kurvigen Bahnstrecke zusammenkamen, waren wir kurzzeitig beide kurz vor dem - naja- erbrechen...
Erst gegen 19 Uhr kamen wir Abends im kleinen Niemandsdorf Ställdalen an, das in der schwedischen Provinz Dalarna liegt. Dort wurden wir schon nach kurzer Zeit von unserem zukünftigen ‚Gastvater‘ abgeholt.
Arno, gebürtiger Niederländer und sehr redegewandt um es so zu formulieren, fuhr uns zu sich nach Hause, wo wir auch den Rest der kleinen Familie kennenlernen durften: Familie Wilting, bestehend neben Arno aus Amelia, seiner Frau, und der kleinen, knapp zweijährigen Tochter Vivianne.
Am ersten Abend waren wir wirklich überfordert, da wir nach unserer doch sehr lockeren Zeit auf dem Campingplatz nun wieder in eine ganz neue Welt eintauchten. Grundsätzlich versuchen Arno und Amelia, so nachhaltig wie möglich zu leben. Das bedeutete für uns: eine Trockentoilette, Wasser wirklich nur in Maßen benutzen, waschbare Stoffstücke statt Toilettenpapier, um nur einige wenige Punkte zu nennen. Eigentlich finde ich das super, und auch bewundernswert, dass Menschen so konsequent ihren Lebensstil auf Nachhaltigkeit ausrichten, aber die Umstellung in den ersten Tagen war doch eine kleine Hürde. ;)
Allgemein wurden wir von der Familie sehr herzlich aufgenommen und durften bedingungslos Teil der Familie sein. Töchterchen Vivianne, kurz Vivi, hielt uns alle auf Trab, doch auch sie hat nach einigen Tagen unser Vertrauen gefasst, und so wurden wir in den zwei Wochen im ‚Lundgården homestead‘ reichlich mit Pizza und Nudeln aus der Spielküche versorgt xD
Auch das ‚echte‘ Essen war super – wir wurden mit vielen veganen, asiatisch inspirierten Gerichten verwöhnt. Einmal gab es zum Beispiel Nasi Goreng, ein typisch indonesisches Gericht – Arno hat indonesische Wurzeln und kann daher seeehr gutes Nasi Goreng kochen ;)
Und an einem Abend haben wir uns dafür mit typisch schwäbischen Essen revanchiert
– na, was denkst du, was es gab? Richtig, es gab Schupfnudeln, natürlich selbstgemacht und vegan :D
In der ersten Woche arbeiteten wir immer Vormittags, und so gut wie immer im Garten auf dem Grundstück. Da die Familie erst seit einigen Jahren dort wohnt, ist ein Teil des Landes garnicht erschlossen. Dort haben wir kleinere Bäume entfernt, Büsche weg-getrimmt und anschließend die vier Ziegen, die die Wiltings besitzen auf die Flächen gelassen, um auch das restliche hohe Gras wegzubekommen.
Neben den Ziegen gibt es noch zwei Kaninchen, etwa 20 Hühner und fünf Katzen. Besonders diese hatten es uns sehr angetan, da mindestens eine, manchmal sogar drei Katzen gleichzeitig auf unseren Betten saßen – Tag und Nacht :)
Das morgendliche Versorgen der Tiere war ebenfalls unsere Aufgabe, das war natürlich auch cool ! Außerdem ernteten wir Gemüse im Gewächshaus und auf dem Acker, bauten neue Beete und Kompost–Haufen nach dem Prinzip der Permakultur und lernten auch sehr viel dabei, da diese ‚alternative Landwirtschaft‘ doch auch etwas sehr Neues für uns ist.
Prinzipiell mussten wir nur Vormittags arbeiten, doch manchmal halfen wir zusätzlich nachmittags im Haushalt, kochten oder spielten mit Vivi.
Das lag schlichtweg daran, dass man von Ställdalen beziehungsweise vom Wohnhaus selbst aus praktisch nichts machen konnte... einige Male waren wir im Wald und an den Seen spazieren, die es hier überall im Umkreis von 5 Kilometern gibt, sind mit den Fahrräder in die nächste ‚Zivilisation‘, wie ich immer so schön sage, gefahren, und haben für die Kaninchen Sachen am Stall repariert und auch neue Sachen wie ein Häuschen gebaut.
Leider war ich nicht jeden Tag arbeitsfähig... vermutlich wegen dem ganzen Stress in den letzten Wochen bekam ich gleich am Anfang eine ziemlich heftige Migräne–Attacke, die mich mehrere Tage flach legte... und also ob damit nicht genug wäre, folgte danach eine Erkältung, die sich über Wochen gezogen hat – nervig, aber so lange es kein Corona war (da bin ich mir sicher), ist es nicht schlimm... :/
Zwei Tage in der Woche bekamen wir frei – das war cool, aber wir wussten tatsächlich nicht, was wir mit unserer Zeit anfangen sollten. Glücklicherweise nahm uns Amelia, die in der nächstgrößeren Stadt (70 Kilometer entfernt!!!) studiert, mit nach Örebro.
Dort verbrachten wir den Nachmittag, schlenderten durch die Einkaufsstraße und ich zwang Yoyo mit ins ‚Espresso house‘ zu kommen – das ist die Café–Kette Nummer 1 in Schweden und immer einen Besuch wert !)
Grundsätzlich war das Wetter während unserer Zeit in Ställdalen leider immer ziemlich schlecht, immer zwischen fünf und zehn Grad mit Nebel und Regen – in der Summe hat in zwei Wochen vielleicht eine halbe Stunde die Sonne geschienen... :/
An einem anderen Tag, an dem das Wetter noch mieser war als sonst, fuhren wir mit dem Zug in die Kleinstadt Ludvika – ich habe mich glaube ich noch nie so an einem Schwimmbad gefreut :)
In Ludvika waren wir in unserer Zeit bei den Wiltings sogar zweimal:
am 25.September fand der globale Klimastreik von Fridays for future statt, und glücklicherweise konnten wir tatsächlich zu einem Streik gehen, auch wenn dieser super klein war und der Altersdurchschnitt bei etwa 70 Jahren lag...
– dort hingehen zu können war tatsächlich eins der wichtigsten Dinge für mich, die ich während meiner Zeit in Schweden machen wollte. Es ist unfassbar wichtig, egal wo man sich befindet, weiterhin für Klimaschutz zu kämpfen!
Nach etwa einer Woche bekamen wir Gesellschaft von einem anderen Freiwilligen, der spontan aufgenommen wurde, nachdem er bei einem andere Hof rausgeworfen wurde. Das ist ja eigentlich auch total nett, doch leider war der Typ (Nils) echt schräg drauf, hat nur von Pilzen geredet (ja, du liest richtig) und hat leider nicht viel davon gehalten, sich auch nur ab und zu mal zu waschen.......
Das war schon nervig, gerade weil wir leider seitdem keinerlei Privatsphäre mehr hatten – zwischen unseren ‚Zimmern‘ war nur eine Sperrholzplatte montiert, die oben und an der Seite nicht groß genug war... also verlagerten wir den Großteil unserer Kommunikation auf Whatsapp– Nachrichten, wer hätte das gedacht!?
An einem Tag durften wir mit zum Sommerhaus, das den Eltern unserer ‚Gastmutter‘ gehört. Dort durften wir erst im Garten arbeiten, bevor wir in den Wald gingen, um etwa fünf riesige Körbe mit Preiselbeeren zu pflücken – das hat auch echt Spaß gemacht !)
Leider hat jede gemeinsame Zeit ein Ende, und es war seit Yoyo sich entschieden hatte, zu mir nach Schweden zu kommen, klar, dass sie Ende September wieder zurück nach Deutschland muss. Und so machte sie sich am 30.September auf, um nach Hause zu fahren zum Arbeiten.
Das war echt hart für mich, und es ging mir eigentlich nicht so gut, seit sie weg war. Das Alleinsein ist normalerweise kein Problem für mich, und ich hatte ja eigentlich geplant, ganz alleine die drei Monate herumzureisen, doch nach alldem was in den letzten Wochen in meinem Leben passiert ist, war alles nicht so leicht....
ich habe dazu ein Zitat gefunden, das im Nachhinein so gut auf meine Reise zutrifft, die ja am Schluss doch ganz anders verlaufen ist als geplant.
„Which is more important,“ asked Big Panda, „the journey or the destination?“
„The company.“ said Tiny Dragon.
Denn als Yoyo weg war fiel es mir noch schwerer, mit der vielen freien Zeit klarzukommen, gerade wenn man draußen nicht viel machen kann wegen dem Wetter.
Umso froher war ich, als sich die Zeit bei den Wiltings dem Ende zuneigte. Gerade Amelia war zwar super nett, doch Arno als Person war unfassbar anstrengend – viele Leute würden ihn als Hochstapler bezeichnen, aber jeder wie er will... auf alle Fälle möchte er einen Supermarkt, ein Restaurant, ein Café und ein Hostel eröffnen, doch hat eigentlich keinerlei finanzielle Mittel dazu.... mit dem ständigen Schwärmen über all‘ seine ‚projects‘ musste man auch lernen, umzugehen.
Und so endete am Sonntag morgen nach genau zwei Wochen auch meine Zeit in Ställdalen.
Ich weiss nicht, aber irgendwie hänge ich gerade ein bisschen in der Luft – jetzt wieder alleine, die Entwicklung der Coronazahlen ist schlecht, und auch bei der Person, zu der ich als nächstes gehen werde, kann ich nur sechs Tage bleiben... mal schauen wie das weitergeht.
Auf alle Fälle verabschiedete ich mich erst von Amelia und Vivi, da Arno mich zum Bahnhof fuhr.
Und um 10.53 Uhr kam mein Zug, ich ließ Ställdalen und die Wiltings hinter mir und fuhr wieder in den Süden Schwedens, wo mich auch schon bald wieder eine völlig neue Umgebung erwarte, wie ich sie bisher auch noch nie erlebt hatte... – wart‘s ab und bleib‘ gesund!
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