04.10.-10.10.2020
Nach einer leicht stressigen Fahrt und insgesamt vier verschiedenen Zügen erreichte ich um 16.40 Uhr die Kleinstadt Högsby in der schwedischen Provinz Småland.
Garnicht so weit weg von hier war ich fast zu Beginn meiner Tour schon einmal, nur ein bisschen weiter südlich. Doch da war es noch Sommer und wir hatten über 30 Grad, jetzt waren es in Högsby vielleicht 8 Grad und es war trüb und regnerisch.
Etwas verloren stand ich einige Minuten am Bahnhof, bevor sich endlich ein Auto mit deutschem Kennzeichen nährte. Ich sollte bei meiner zukünftigen Gastmutter nämlich nicht alleine sein. Dort wohnen bereits seit einer Woche zwei andere Freiwillige, die beide aus Deutschland kommen.
So wurde ich also sehr nett von den Mainzerinnen Mara und Evelyn, beide Anfang 20, begrüßt.
Da wir uns aufgrund von Orientierungsprobleme einige Male verfuhren (hier sind überall einfach nur Bäume XD), brauchten wir knapp eine Stunde, um die off–grid Wohnanlage ‚Sängelstorpet‘ zu erreichen.
Ich muss sagen, ich hatte schon Angst, dass ich kein Zimmer für mich bekommen würde... das hieß es zuerst eben auch, doch glücklicherweise bekam ich ein eigenes Zimmer im Haupthaus – du kannst dir nicht vorstellen wie sehr man sich an vier Wänden, ein bisschen Licht und einer Türe erfreuen kann! – Das sind nämlich alles Dinge, die ich teilweise in den letzten Wochen so vermisst hatte... ich hätte vor meiner Zeit in Schweden niemals gedacht, dass ich mich unfassbar über solche sonst ‚selbstverständlichen‘ Dinge freuen kann ;)
Am Abend lernte ich noch Laila kennen, meine eigentliche Gastmutter. Sie ist Mitte fünfzig, gebürtige Niederländerin und lebt aber seit Jahrzehnten in Schweden.
Wir unterhielten uns, mal wieder unerwarteter Weise auf Deutsch (sie war früher Deutschlehrerin für Flüchtlinge) über meine bisherige Reise und über gefühlt alles Mögliche, und aßen zusammen zu Abend.
Obwohl ich nicht viel nachdenken musste, strengte es mich wirklich ziemlich an, wahrscheinlich mal wieder wegen dem vielen Stress und den ganzen neuen Eindrücken, die ich heute gesammelt habe... Mein Tageshighlight folgte trotzdem erst nach dem Essen: Die anderen zwei Mädels hatten einen Kuchen vorbereitet, extra in vegan :D Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, und grade deshalb hat es mich so gefreut!
In der darauffolgenden Nacht schlief ich so unfassbar gut... !
Hier in Högsby müssen wir auch nicht so früh aufstehen wie bei den vorherigen Hosts in Ställdalen, weshalb ich jeden Tag gegen 8.30 Uhr aufstand und wir dann alle gemeinsam frühstückten.
Erst als es an meinem ersten ‚richtigen‘ Tag dort Morgens hell war, konnte ich das wunderschöne und stilvoll renovierte Haus aus dem 18.Jahrhundert richtig sehen – es ist so gemütlich und sieht aus wie diese Bilder in einer Wohnzeitschrift (sowas wie Lisa Wohnen, falls das meinen Leserinnen etwas sagt xD)!
In den ersten drei Tagen arbeiteten wir Vormittags und auch ein bisschen am Nachmittag, allerdings hielt es sich generell sehr in Grenzen. Wir versorgten die vier Ziegen und sieben Hühner die mit auf dem Gelände wohnen, ernteten etwa 100 Kürbisse in verschiedenen Größen und bauten neue Hochbeete für die Pflanz–Saison im kommenden Jahr auf. Das Arbeiten draußen machte an sich viel Spaß, einfach weil das Wetter so viel besser war als in den zwei Wochen im Norden... wir hatten besonders Vormittags Sonne, blauen Himmel und alles in allem einen richtigen ‚goldenen Herbst‘ :)
Außerhalb der Arbeitszeit, die immer mehr oder weniger freiwillig war was die Länge betrifft, machte ich Spaziergänge durch den Wald der das komplette Gelände umgibt, spazierte einmal in den nächsten Ort namens ‚Fågelfors‘, der etwa fünf Kilometer entfernt ist, und sammelte Tonnen an Heidelbeeren, da es hier noch erstaunlich viele gibt für diese Jahreszeit!
Ein bisschen genervt war ich davon, dass ich leider garnicht mobil war während meiner Zeit in Högsby: alle Fahrräder waren kaputt und niemand hätte mir mal sein Auto geliehen.
Mir blieb also nur das Laufen, was ja eigentlich kein Problem ist, nur gibt es in diesem Land wie gesagt leider keine Wander - oder Fahrradwege, weshalb man immer auf dicht befahrenen Landstraßen laufen muss... das hat mich abgeschreckt eine weitere Streck auf mich zu nehmen, denn ich war bereits vor einigen Jahren mit meiner Familie schon einmal hier in der Gegend und wäre gerne zu dem Ferienhaus gefahren, in dem wir damals gewohnt hatten, doch das wäre zu Fuß wirklich zu gefährlich gewesen :/
Leider habe ich auch hier meinen Kopf nicht wirklich freibekommen, da mich gleich Montags, am ersten vollen Tag im Högsby, eine Nachricht von der Frau erreichte, bei der ich als nächstes wohnen sollte... ihre Absage brachte mich echt ziemlich aus dem Konzept, da ich, wie du wahrscheinlich weisst, ein ziemlicher Kontrollfreak bin; und jetzt lief auf einmal nichts mehr nach Plan...
von dem Tag an nutzte ich jede freie Minute, um auf verschiedenen Plattformen nach alternativen Hosts zu suchen, die mich so kurzfristig noch aufnehmen würden. Dadurch war ich so unentspannt und konnte die Zeit in Högsby an sich nicht so richtig genießen :(
Ich suchte drei Tage lang nonstop, doch nachdem sich eine Zusage einer biologischen Farm als Lockangebot einer Sekte entpuppte, wurde es mir zu viel.
Ich traf eine Entscheidung, mit der ich vor wenigen Tagen selbst noch nicht gerechnet hatte:
Ich werde nach den Tagen in Högsby meine Reise durch Schweden beenden, etwa drei Wochen früher als geplant... zum Einen eben weil ich keinen passenden Host für die nächsten 1,5 Wochen finde, und zum anderen, da sich die Lage mit der Zahl der Corona–Infizierten aktuell in ganz Europa drastisch verschlechtert. Es ist auch sehr belastend, dass leider sehr viele Einwohner Schwedens das Corona – Geschehen einfach ignorieren, oder sogar ‚Coronaleugner‘ sind, also die Gefahr, die vom Virus ausgeht, gänzlich herunterreden ... so war leider auch Laila drauf, das war seeehr anstrengend... :/
Ein weiterer Grund, warum ich mich entschieden habe, Schweden vorzeitig zu verlassen, ist, dass nächste Woche im ganzen Land die Elchjagd – Saison beginnt. Nicht nur, dass es mich unglaublich traurig macht, dass Menschen teilweise sogar aus dem Ausland hier herkommen, nur um aus Spaß hunderte dieser prächtigen und tollen Tiere zu töten, sondern auch, weil es unfassbar gefährlich ist, sich in dieser Jagdperiode vom etwa drei Wochen irgendwo im Wald aufzuhalten. Die Jäger schießen nämlich auf alles was sich bewegt, und man darf gerade in den ländlichen Gebieten eigentlich kaum mehr die Häuser verlassen :o
Alles in allem wird es also das Sicherste sein, ein bisschen früher nach Hause zurückzukehren.
Seit ich diese Entscheidung sicher getroffen hatte, ging es mir viel besser!
Die verbleibenden Tage konnte ich wieder viel bewusster genießen, obwohl das Wetter nun wieder herbstlicher und trüber war.
Eines meiner Highlights war auf alle Fälle, dass wir an einem Abend Containern gegangen sind. Nicht erschrecken, das ist in Schweden im Gegensatz zu Deutschland erlaubt und wird toleriert, so lange man keine Schlösser aufbricht. Die beiden anderen Mädels hatten schon Erfahrungen mit dem Containern in Deutschland und auch in Schweden, und ich war sehr happy, nun auch mal dabei sein zu dürfen :) Ich konnte es echt nicht glauben was für Unmengen an Obst und Gemüse wir in den Containern hinter dem Supermarkt gefunden haben...!
Bis auf die Begeisterung für veganes Essen und für den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung hatten die Mädels und ich nicht so viel gemeinsam. Die beide waren sehr extrovertiert und wie Laila auch, sehr esoterisch und spirituell. Das war für mich an sich kein Problem, aber ich habe mich bei Gesprächen dann doch eher zurückgezogen und habe die Küche geputzt, anstatt an irgendwelchen Zeremonien mit un – identifizierbaren Fläschchen teilzunehmen... !P
Die letzten Tage in Högsby verbrachten wir mit kochen, backen und dekorieren. Laila hatte nämlich die Idee gehabt, eine Art Herbstfest für alle ihre Freunde zu veranstalten. Unser Ziel war es, möglichst viele geerntete Sachen aus ihrem eigenen Garten, sowie Essen aus unserer Container–Ausbeute zu servieren. Wir gaben uns wirklich Mühe und ich versuchte, mich irgendwie auf das Kreativitätslevel der Anderen im Haus zu bringen, doch schlussendlich fand man mich hauptsächlich in der Küche :)
Ich war der Ansprechpartner für Alles in der Küche, da die anderen nicht so viel Ahnung hatten was Kochen angeht... als ich nämlich nach einigen Tagen mit so naja–gutem Essen Initiative ergriffen habe um selbst zu kochen, konnte ich die anderen davon überzeugen, dass es mehr gibt als nur Konserven und Aufbackbrötchen :p
Unser Herbstfest fand schließlich an meinem letzten Abend in Högsby statt. Wir hatten viele von Lailas Freunden, Nachbarn und auch ihre Familie eingeladen, welche normalerweise nicht bei ihr wohnt. Lustigerweise waren wir am gesamten Tisch fast nur Deutsche oder zumindest deutschsprachig.
In dieser Region Schwedens leben nämlich sehr viele Deutsche und Österreicher, das hat mich echt schon fast schockiert, da man beinahe mehr deutsche Autokennzeichen sieht als Schwedische! Einige dieser Leute sind ganz ausgewandert, andere besitzen ein eigenes Ferienhaus in Südschweden und verbringen deshalb ihre Wochenenden und Ferien hier.
Das Essen das wir zubereitet und in ausgehöhlten Kürbissen serviert hatten, war super gut, und gleichzeitig war dieses Fest ein schöner Abschluss meiner Zeit in Högsby ;)
Und am nächsten Morgen, einem Samstag, verließ ich mit gemischten Gefühlen erst das Haus, Laila und die Mädels, und danach auch den Ort Högsby selbst. Lailas Exfreund fuhr mich sehr früh am Morgen zum Bahnhof und wir verabschiedeten ums alle erstaunlich herzlich, was mich fast schon überraschte, da es zeitweise doch große Differenzen zwischen uns allen gegeben hatte...
Doch halt, so abrupt enden dieser Blog und meine Reise natürlich nicht!
Ich werde meine Rückreise nach Hause aufsplitten, um nochmal ein Paar Sachen einzukaufen, und auch, da ich nicht die komplette Reise mit dem Zug an einem Stück machen kann – das würde den zeitlichen und nervlichen Rahmen sprengen!
Also sei gespannt auf meinen letzten Post direkt im Zusammenhang mit meiner Tour, in welchem ich meine Rückreise nach Deutschland dokumentieren werde.
Nebenbei folgen aber auch noch andere Posts, in denen ich von meiner Ausrüstung und meinen Erfahrungen allgemein berichten werde. Viel Spaß bei Lesen und bleib’ gesund!
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